Im „Hans Otte. Klanghaus“ der Weserburg Museum für moderne Kunst treffen Besucherinnen auf ein außergewöhnliches Klangerlebnis: Die Installation „aufheben“ von Michaela Melián lädt dazu ein, die vielfältigen Bedeutungen des Verbs „aufheben“ klanglich zu erfahren. Im Spiel der Stimmen und Sprachen entfaltet sich ein Spannungsfeld zwischen Abschaffen und Bewahren, zwischen Auflösen und Sichern, zwischen dem Moment des Aufhebens und dem Akt des Sammlens. 66 Sprecherinnen in 32 Sprachen präsentieren diese Vieldeutigkeit, indem sie die unterschiedlichen Facetten des Begriffs hörbar machen und so Grenzen sowie gegensätzliche Standpunkte offenlegen. Die Installation schafft damit einen Raum, in dem Erinnerung oszilliert: Der Wechsel zwischen Verweigerung und Bewahren wird zum Ausgangspunkt sinnstiftender Neuerungen – passend zu Meliáns künstlerischer Praxis, die oftmals marginalisierte und übersehene Geschichten ins Zentrum rückt.
Die Soundarbeit ist an zwei sehr unterschiedlichen Orten in der Weserburg erlebbar. Im Klanghaus auf Ebene 4 ½ bewegen sich die Besucher*innen mitten durch das akustische Werk und sind ganz davon umgeben. Im öffentlichen Tunnel vor dem Eingang hingegen ist der Zugang niederschwellig, aber das Erleben bleibt besonders: Nur wer sein Ohr gezielt an ein Loch in der Wand legt, taucht ein in die Klangwelt des „aufheben“. Diese Interaktionen machen deutlich, dass Erinnerung nicht nur im Museum selbst, sondern auch im städtischen Raum verankert werden kann – wie auch Meliáns aktuelles Werk im Bremer Getreidehafen zeigt, das an die Geschichte des Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlagers erinnert. Die Ausstellung in der Weserburg verbindet faszinierende Raum- und Hörerfahrungen mit einer tiefgründigen Reflexion über das, was bleibt, aufgehoben und bewahrt wird.